
Thai Hai – eine Touristenattraktion, die keine ist, sondern ein Vorbild !
Im Mai 2017 besuchten wir Ha’s Familie in Hanoi, Vietnam, und haben gemeinsam mit ihnen einen für uns sehr prägenden Ausflug in die Provinz Thai Nguyen unternommen. Wir fuhren etwa 100km mit dem Auto in Richtung Norden, weg von der pulsierenden Hauptstadt, vorbei an grünen Reisfeldern und kleinen Dörfern. Je nach Verkehrslage sind es etwa 1,5 bis 2 Stunden Fahrtzeit. Thai Nguyen ist in Vietnam sehr bekannt für seinen Tee, aber wir wollten natürlich nicht 2 Stunden fahren nur um Tee zu trinken. Unser Ziel war das kleine Dörfchen Thai Hai mit seinem gleichnamigen sozialen Projekt.
Dort angekommen wurden wir schon im Auto herzlich empfangen. Wir liefen an einigen obligatorischen Souvenirläden vorbei. Aus einem Veranstaltungszelt ertönten Gelächter und Gesänge eines Firmen-Incentive-Events. Wir gingen weiter. Auf einmal sahen wir vor uns eine herrlich grüne Anlage mit einem riesigen See, so weit das Auge reicht! Im See wimmelt es von Fischen, die sich gerne zur Freude der Kinder füttern lassen. Direkt am See befindet sich auch ein großes Restaurant, in dem wir uns direkt niederließen, denn es war nun Mittagszeit. Wir wurden zu unserem Tisch geführt und zu unserer Überraschung saß mit uns am Tisch Herr Ha Van Thang, der Projekt-Mitgründer von Thai Hai.

Ein soziales Projekt
Er erzählte uns was Thai Hai eigentlich ausmacht und wie es entstanden ist. Wir kamen aus dem Staunen einfach nicht mehr raus! So ein Projekt haben wir vielleicht in Deutschland, aber sicher nicht in Vietnam erwartet. Denn obwohl Vietnam ein sozialistischer Staat ist, so ist die Ungleichheit zwischen arm und reich dort extrem und man findet eine grobe Ellbogengesellschaft vor, wie in fast allen kapitalistischen Systemen. Bevor es nun mit den Details weitergeht, muss an dieser Stelle aber erwähnt werden, dass das Essen im Restaurant vorzüglich, sehr authentisch und wahnsinnig lecker ist!!! 🙂

Der Zweck
Tatsächlich wurde Thai Hai nicht gegründet um eine Touristenattraktion zu sein, sondern mit dem Zweck die traditionellen Stelzen-Häuser dieser Gegend zu erhalten. Doch daraus wurde viel mehr. Im Jahr 2000 gab es einen Wandel und immer mehr Menschen der Tay-Völker wollten ihre traditionellen Stelzen-Häuser gegen neue moderne Häuser eintauschen. Ein Teil der alten Häuser wurde daher für kommerzielle Zwecke entwendet und der andere Teil der Häuser wurde zu Feuerholz zerlegt.

Die Motivation
Herr Ha Van Thang und seine Frau wurden in diesem Ort geboren und sind hier aufgewachsen. Auch wenn sie für kurze Zeit woanders gearbeitet haben, sind sie sehr heimatverbunden. Zu dieser Zeit allerdings sahen sie ihre Heimat aus ihrer Erinnerung verschwinden. Daher beschlossen sie eigenes Geld in die Hand zu nehmen und kauften bis dato 30 traditionelle Stelzen-Häuser. Die Häuser allein brachten aber nur einen Teil der Gefühle zurück. Was fehlte war ihre Seele und das Leben. So begannen sie das Grundstück zu bewirtschaften und bekamen jede Menge Unterstützung von Gleichgesinnten. Viel ist seitdem passiert, die Landschaft ist kultiviert und zu einer idyllischen Erholungsstätte geworden. Man verwendet viele einheimische Pflanzen und Kräuter aus ökologischem Eigenanbau für das Restaurant und es gibt eine eigene Trinkwasser-, Tee- sowie Schnaps-Produktion.

Das Unternehmen
Das klingt für euch wie ein Unternehmen? Rechtlich gesehen ja. Die Idee und Vision ist aber eine andere. Die Gewinne aus dem Projekt dienen allein dem Zweck der Gemeinschaft. Thai Hai hat keine Angestellten. Alle dort lebenden Menschen sind wie eine Familie, die zusammen für die Erhaltung ihrer Kultur und Traditionen freiwillig arbeiten. Sie achten dabei auf Umweltschutz und auf eine Verbesserung der körperlichen Gesundheit und des Wohlbefindens aller Beteiligten. So erhält jeder den Zugang zu Bildung, sozialer Absicherung und sinnvoller Arbeit. Thai Hai wird deshalb nicht nur wegen der Größe des Grundstücks (25 ha) ein kleines Dörfchen genannt. Die Menschen treffen sich hier nicht nur wegen der Arbeit, sondern sie leben hier gemeinsam, essen gemeinsam, unternehmen gemeinsame Aktivitäten. Sie unterstützen und helfen einander, sie erweitern und verbessern das Projekt auf lokaler Ebene so gut sie können.

Unsere Gefühle
Wir spürten diese Harmonie, denn unser Besuch war ebenfalls wie ein Besuch bei einer Großfamilie. Nicht nur weil dort ganze Familien in 3-4 Generationen leben, sondern wir merkten förmlich, dass die Menschen unter sich eine enge Beziehung zueinander haben. Es ist so wie ein Verhältnis zwischen Cousin und Cousine oder unter guten Nachbarn – warmherzig und liebevoll, ehrlich und gastfreundlich. Nach dem interessanten Gespräch und wohl gestärkt von dem leckeren Essen durften wir in eines der Stelzen-Häuser für ein kurzes Mittagsschläfchen.
Die Häuser sind komplett aus Holz gebaut und somit ökologisch und nachhaltig. Die Bäume für das Baumaterial wachsen ebenfalls auf dem Grundstück. Durch die Stelzen und die damit verbundene Luftzirkulation ist das ganze Haus angenehm kühl bei 30 Grad Außentemperatur. Außer einer Lichtquelle, Ventilatoren und Matratzen gibt es in den Häusern nichts. Die Sanitäranlagen wurden direkt neben den Häuser errichtet und sind modern. Wer möchte kann hier in den traditionellen Häusern übernachten. Darüber hinaus bietet Thai Hai allen Besuchern die Möglichkeit die Traditionen und Kultur der Tay-Völker kennen zu lernen: sei es bei einem Kochkurs über einer Feuerstelle, ein Bastelkurs mit natürlichem Materialien oder einem Bauernkurs auf dem Feld.

Das Dorf
Nach unserem sehr erholsamen Mittagsschlaf besuchten wir noch die Siedlung der Einwohner und den großen Garten. Wir entdeckten Bienenstöcke, beobachteten Kinder beim Spielen im Freien, durften selbst die traditionellen Spiele ausprobieren und bekamen eine Erklärung zu dem ökologischen Anbau von Pflanzen und Kräuter. Sichtlich gerührt und sehr beeindruckt von der Idee, der Umsetzung, der Menschen sowie dem Essen in Thai Hai, verließen wir das Dörfchen gegen Abend. Am Ausgang sahen wir noch wie ein Transfer für die Schulkinder in Thai Hai gerade ankam. Es ist Wochenende und deshalb dürfen die Kinder nachhause zu ihren Familien.

Thai Hai ist ein freiwilliges soziales Projekt mit dem Fokus auf Gemeinschaft, Ökologie, Nachhaltigkeit, Frieden und des Schaffens. Es ist absolut erstaunlich, was die Menschen dort in den letzten Jahren aufgebaut haben und welcher Wohlstand in einer ländlichen Region entstehen kann. Das geht nur wenn man sich engagiert, verzichtet und auf das Wesentliche beschränkt. Die Zeit in der Natur und die positive Stimmung stehen im krassen Gegensatz zu den Erfahrungen, die wir mit der Ellbogengesellschaft in den Großstädten machen. Daher war dieser Ausflug tief bewegend, denn er zeigt wozu Menschen fähig sind, wenn sie kooperieren und hilfsbereit friedlich miteinander leben.
Zusammenfassung
⦁ Soziales Projekt zur Erhaltung der Kultur und Traditionen der Tay-Völker
⦁ Ein Besuch in Thai Hai ist wie ein Besuch bei einer Großfamilie
⦁ Es gibt keine Angestellten. Alle arbeiten freiwillig und alle Leistungen dienen dem Allgemeinwohl der Gemeinschaft
⦁ Übernachtung in den traditionellen Stelzenhäuser möglich
⦁ Authentisches Restaurant mit Zutaten aus Eigenanbau und -produktion
⦁ Entschleunigung in idyllischer Natur
⦁ Kochkurs, Bastelkurs, Bauernkurs


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2 Kommentare
Max Bauer
Hallo und Danke für den interessanter Beitrag!
Prima Blog.
laipix
Hallo Max, vielen Dank für dein positives Feedback! 🙂